Wochen-Update # 54

Neue Allianzen: SSV Reutlingen wirbt für Wohnprojekt K39

Wer sich heute, beim Jubiläum 70 Jahre Kreuzeiche Stadion, neben dem Testspiel zwischen SSV Reutlingen und dem VfB Stuttgart auch die Ausstellung »die Kreuzeiche in den 1950er Jahren« angesehen hat, kam an einem Fanclub der besonderen Art nicht vorbei. Im Foyer des Stadions wirbt der Fanclub Kollektives Eigenheim e.V. mit einem Infostand für sein selbstorganisiertes Wohnprojekt.

Besucher möchten sich im ersten Moment die Frage stellen, was ein unkommerzieller Bauherr mit dem Reutlinger Sport- und Schwimmverein gemeinsam hat. Christian Grießer, Vorstand beim SSV Reutlingen sagt dazu: »Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Reutlingen ist ein ernstzunehmendes Problem, dem wir uns als Gemeinschaft stellen müssen. Reutlingen ist eine attraktive Stadt mit einer starken Wirtschaft und hoher Lebensqualität. Es ist unser gemeinsames Interesse, unsere Stadt lebenswert zu gestalten. Dazu gehört es auch, den Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt mit innovativen Ideen zu begegnen.«

Für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sind in erster Linie Bund, Länder und Kommunen verantwortlich. Um jedoch schnell und effektiv Verbesserung zu erreichen, gehen engagierte Menschen neue Wege: Die Ehrenamtlichen um die sog. »K39« (Kaiserstraße 39) realisieren mit ihrem Mehrgenerationen-Projekt günstigen und nachhaltigen Wohnraum mitten in Reutlingen. Neben einer energetischen Bestandssanierung soll ein nachhaltiger Neubau mit Stadtteilzentrum entstehen. Dabei stellt das Konzept der Initiative sicher, dass die Wohnungen für Menschen mit unterschiedlichen Einkommens- und Lebensverhältnissen zugänglich sind.

»Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht in Reutlingen sozial verträglichen und gestaltbaren Wohnraum zu schaffen. Unter dem Motto Keine Profite mit der Miete wollen wir dem herkömmlichen spekulativen Wohnungsmarkt eine solidarische Perspektive entgegenstellen. Damit das aufgeht, kaufen und verwalten wir Häuser und Grundstück selbst und ohne daran zu verdienen – nach dem Konzept des Mietshäuser Syndikat (MHS)«, erklärt Luca Gemein vom Fanclub Kollektives Eigenheim.

Die Finanzierung des rund 5,5 Millionen Euro teuren Vorhabens, erfolgt über kleinere und größere Direktkredite von Unterstützern, Bürgschaften, Förderkrediten der KfW & L-BANK sowie einem Bankkredit. Das Eigenkapital des Projekts bildet dabei die Summe der angelegten Direktkredite von Privatpersonen, Unternehmen und Initiativen – aktuell rund 740.000 Euro aus über 150 Geldanlagen.

Wohnfläche in der Oststadt

Das Erfolgsmodell umreißt Carmen Ahammed, die zu den Aktiven zählt, mit wenigen Worten: »Das raffinierte am MHS-Modell ist, dass sich niemand mit Privatvermögen in das Projekt einkauft und so eine Sonderstellung erhält. Das Kapital generieren solidarische Anleger:innen, die von uns Zinsen erhalten. Die Gestaltung des Projekts liegt demokratisch beim Bewohner:innen-Verein. Die Häuser denen, die drin wohnen nehmen wir also wortwörtlich.«

In der Reutlinger Oststadt entstehen auf knapp 1000 qm Wohnfläche neue Wohnformen – von den Menschen, für die Menschen. Der ökologische Innenhof mit viel unversiegelter Fläche bildet dabei das Zentrum des Prestigeprojekts und jede Menge Raum für Begegnung. Ebenerdig erreicht man darüber das Stadtteilzentrum, welches, getragen von einem eigenen Stadtteilzentrumsverein, sowohl den Bewohnern des Projekts als auch der Reutlinger Gesellschaft zur vielfältigen Gestaltung offen steht.

»Wir arbeiten seit 2019, gemeinsam mit der Stadt Reutlingen und zwei etablierten Architektur- und Planungsbüros aus der Region, an der Umsetzung. Seither haben wir viele Hürden genommen und befinden uns auf der Zielgeraden was die bürokratische Umsetzung angeht. Der Bauantrag ist eingereicht, die ersten Unternehmen beauftragt, gerade sitzen wir am Förderantrag für das sogenannte Förderprogramm Wohnungsbau – Sozialmietwohnraumförderung der L-BANK.« ergänzt Carmen Ahammed.

Was für die nächsten Schritte fehlt sind noch etwa 100.000 Euro an Direktkrediten, damit die von der L-BANK geforderte Summe an Eigenkapital erreicht ist. Sobald diese auf dem Konto des Fanclub Kollektives Eigenheim e.V. eingegangen ist, kann der Antrag eingereicht werden.

Ehrenamt als Basis

»Wir sind begeistert, was die Gruppe in den letzten vier Jahren auf die Beine gestellt hat. Wissen wir doch genau, wie zäh ehrenamtliches Engagement manchmal sein kann. Als wir erfahren haben, dass dem Projekt eine, im Vergleich zu den bisher erhaltenen Krediten, kleine Summe fehlt, war uns klar, dass wir unterstützen möchten.«, erzählt Jochen Noack, mitverantwortlich für Kommunikation und Marketing beim SSV, zum Hintergrund der Aktion. Ergänzend fügt er hinzu: »Von Reutlingen für Reutlingen ist quasi unsere DNA und dass wir alle mit der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt zu kämpfen haben längst kein Geheimnis mehr. Die Menschen unserer Stadt erleben direkt oder indirekt wie schwer es ist eine Wohnung zu finden. Eine bezahlbare Wohnung zu bekommen ist noch viel herausfordernder.«

Sich ehrenamtlich für die Stadtgesellschaft zu engagieren und dabei die Bedürfnisse der Menschen in Reutlingen in den Mittelpunkt zu stellen, verbindet den SSV Reutlingen mit dem Fanclub Kollektives Eigenheim. Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und die Förderung von sozialen Projekten sind entscheidende Schritte, um dem gerecht zu werden.